WELTENBRAND – HAGEN 1914
 
im OSTHAUS MUSEUM HAGEN
 
20. Mai bis 10. August 2014






Am Vorabend des Ersten Weltkriegs war Hagen eine blühende Stadt. Kulturell, wirtschaftlich und gesellschaftlich gehörte die damals rund 96.500 Einwohner zählende Kommune zu den bedeutendsten Städten im Westen des wilhelminischen Kaiserreiches. Aufgrund eines fast ungebremsten Bevölkerungswachstums und mehreren Eingemeindungen stand die prosperierende Stadt im Sommer 1914 unmittelbar vor dem Aufstieg zur Großstadt.

Vom wirtschaftlichen Aufschwung, der gegen Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzte, zeugten unter anderem das 1899-1903 errichtete Rathaus, der 1910 eröffnete Hauptbahnhof und das 1911 eingeweihte Stadttheater. Über dem Portal des imposanten Hauptbahnhofes werden die Gäste der Stadt noch heute durch das monumentale Glasgemälde „Der Künstler als Lehrer für Handel und Gewerbe“ des niederländischen Künstlers Jan Thorn-Prikker empfangen.

Im August 1914 fand diese Blütezeit Hagens ein jähes Ende. Mehr als 5.500 Gefallene und tausende teilweise verkrüppelte, auch traumatisierte Soldaten hinterließ der damals entfachte „Weltenbrand“ in Hagen. Die Kriegsjahre 1914-1918 führten die Volmestadt in eine Krise. Die brach liegende Wirtschaft, soziale Probleme und innenpolitische Konflikte bestimmten bis weit in die 1920er Jahre den Alltag der Bevölkerung.

Einzigartige Ausstellung
Das Osthaus Museum Hagen zeigt vom 20. Mai bis 10. August 2014 die Ausstellung „WELTENBRAND – HAGEN 1914“. Unter den vielen Ausstellungen, die im In- und Ausland anlässlich des hundertjährigen Gedenkens an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs gezeigt werden, bildet die Hagener Präsentation eine Ausnahme.

Die Ausstellung „Weltenbrand – Hagen 1914“ ist vor allem aber das Ergebnis einer interdisziplinären Zusammenarbeit des Osthaus Museums Hagen, des Stadtmuseums Hagen, des Stadtarchivs und des Karl Ernst Osthaus-Archivs. Nahezu alle Objekte stammen aus den eigenen Sammlungen. Die Kombination von bemerkenswerten historischen Dokumenten und Exponaten sowie herausragenden Kunstwerken, darunter zahlreiche Werke von bedeutenden Expressionisten, ermöglicht eine Betrachtung des Ersten Weltkriegs, seiner Vorgeschichte und den Folgen aus unterschiedlichen Perspektiven.

Vor dem Ersten Weltkrieg, und dort beginnt die Ausstellung im Osthaus Museum Hagen, strahlte die Stadt kulturell weit über die Region hinaus. Der vom Bankierssohn Karl Ernst Osthaus initiierte „Hagener Impuls“ prägte das Kulturleben, die Architektur und die Stadtplanung. Das Osthaus Museum Hagen ist deshalb der ideale Ort einer Ausstellung über diese Zeit. Hier wurde 1902 mit dem Folkwang-Museum das weltweit erste Museum für zeitgenössische Kunst eröffnet. Im Grunde ist das nach einem Entwurf von Carl Gérard erbaute Museumsgebäude das größte Exponat der Hagener Ausstellung, Modelle führen die weiteren architektonischen Hauptwerke vor Augen.

Front und Heimat
Die Ausstellung „Weltenbrand – Hagen 1914“ präsentiert den Ersten Weltkrieg vor allem aus der Perspektive der „Heimatfront“. Mittel- und Großstädte wie Hagen waren 1914-1918 wichtige Bezugsorte für das Umland und für kleinere Nachbargemeinden. Die unter-schiedlichen Ebenen einer städtischen Kriegsgeschichte, wie sie auch in der Ausstellung deutlich werden, reichen von der Wahrnehmung der Julikrise und dem „Augusterlebnis“ 1914 über das Fronterlebnis der Soldaten und den Kriegsalltag der Bevölkerung bis hin zur Rüstungsindustrie, zur Niederlage im November 1918 und zur Nachkriegszeit. In groben Zügen entspricht diese Reihenfolge auch der Gliederung der Ausstellung.
Die im August 1914 in Hagen aufgestellten Infanterie-Einheiten marschierten unter Begleitung der Stadtkapelle und dem Jubel der Bevölkerung durch die Straßen zum Hauptbahnhof. Von dort aus ging es an die Front - nach Verdun, an die Somme, nach Flandern und anderen Kriegsschauplätzen. Was das Fronterlebnis für den Einzelnen bedeutete und wie sich die Wahrnehmung von Gewalt und Massensterben im Stellungskrieg auswirkte, thematisiert die Ausstellung anhand von Relikten und Kunstwerken. Als Symbol für die unschuldigen Opfer steht „Jephtas Tochter“ von Milly Steger.

Dass das Sterben die Front und die Heimat gleichermaßen beherrschte, dokumentiert eine ganze Wand voller Todesanzeigen. Sie steht einem inszenierten Schützengraben gegenüber, der Frontrelikte, wie Fotografien, Tagebücher, Orden, Stahlhelme, Pickelhauben, Totschläger und anderes mehr enthält. Diese teilweise nur noch bruchstückhaft erhaltenen Objekte werden mit den eindrucksvollen Gemälden und Grafiken bekannter Künstler, wie Ernst Ludwig Kircher oder Erich Heckel, die als Frontsoldaten den Schrecken des mechanisierten Krieges erlebten, konfrontiert.

Bindeglieder zwischen Front und Heimat waren Sammelaktionen für Soldaten und die bereits erwähnten Kriegsanleihen, mit denen die immer höheren Staats- und Rüstungsausgaben finanziert wurden. Der fast vier Meter hohe „Eiserne Schmied“ von Hagen gehört zu den wenigen noch erhalten gebliebenen „Nagelmännern“. In Hagen war er das Ergebnis eines Wettbewerbs, an dem sich auch Bildhauer/innen wie Milly Steger und Ernst Ludwig Kirchner beteiligten.

Den Zuschlag der städtischen Auswahlkommission erhielt jedoch der Entwurf einer eher traditionellen Skulptur eines Schmiedes des Dortmunder Bildhauers Friedrich Bagdons. Nach der Einweihung am 28. November 1915 auf dem Rathausplatz war nicht nur ein symbolträchtiges Kriegswahrzeichen in der Stadt vorhanden. Heute befindet sich der „Eiserne Schmied“ im Foyer des Historischen Centrums Hagen im Stadtteil Eilpe. In der Ausstellung wird der „Eiserne Schmied“ als Umrissfigur und zahlreichen zugehörigen Dokumenten und Exponaten gezeigt Im Stadtmuseum Hagen ist noch bis zum 2. Juni 2014 die Wanderausstellung des LWL-Museumsamtes „Heimatfront. Westfalen und Lippe im Ersten Weltkrieg“ zu sehen. Eine gute Gelegenheit, auch dem „Eisernen Schmied“ einen Besuch abzustatten.

Waffen für den Krieg
Ein weiterer verbindender Faktor von Front und Heimat war die Rüstungsindustrie. Es gab kaum ein Unternehmen in der Stadt und in ihrer Region, das in den Kriegsjahren keine Rüstungsgüter produzierte. Der überwiegende Teil der Unternehmen im Raum Hagen gehörte der Stahl- und Eisenindustrie an, es gab jedoch auch bedeutende Textilfabriken und Papierhersteller. Im Krieg wurden neben Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern auch vermehrt Frauen als Rüstungsarbeiterinnen eingesetzt. Der Hagener Zeichner Carl Grimm fertigte 1916-17 eine Serie von eindrucksvollen Zeichnungen von Rüstungsarbeiterinnen an. Sie sind in der Ausstellung zu sehen.

Die 1887 im Hagener Stadtteil Wehringhausen gegründete Accumulatoren Fabrik AG (AFA) war ein auch international vernetztes Unternehmen, das auf dem um 1900 aufstrebenden und innovativen Gebiet der Elektrotechnik produzierte und forschte. Zwischen 1914 und 1918 gehörte dieser Betrieb zu den wichtigsten Rüstungsproduzenten im Deutschen Reich. Das AFA-Werk in Hagen war der Hauptlieferant von Spezialbatterien für U-Boote der Kaiserlichen Marine sowie für die Österreich-Ungarische Flotte.

An den U-Boot-Krieg und die Rolle der Stadt Hagen erinnert in der Ausstellung als Leihgabe des Varta-Museums in Ellwangen eine große Batteriezelle. Sie gehörte zur Batterie des Handels-U-Bootes „Deutschland“, das 1916 unter anderem die USA besuchte, um dringend benötigte Rohstoffe nach Deutschland zu transportieren. Eine weitere Batteriezelle stammt aus dem ersten kaiserlichen U-Boot U 1, das heute im Deutschen Museum München ausgestellt ist.

Der Krieg und seine Folgen
Der Erste Weltkrieg bedeutete eine deutliche Zäsur in der Hagener Stadtgeschichte. Die Ausstellung widmet der Nachkriegszeit zwei Räume mit herausragenden Exponaten und Kunstwerken. Besonders die finanziellen Kriegslasten sowie die über viele Jahre unverändert katastrophale wirtschaftliche und die soziale Lage in der Stadt waren ab 1919 eine drückende Hypothek für die neue demokratische Grundordnung. Auf kulturellem Gebiet gelang keine Anknüpfung an die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Stellvertretend für die jungen Künstler, die an der Front ihr Leben lassen mussten, wird das Werk des 1914 gefallenen Walther Bötticher vorgestellt, der von Osthaus gefördert wurde. Der finanziell und gesundheitlich angeschlagene Museumsgründer und Mäzen Osthaus konnte seine durch den Krieg unterbrochenen Projekte nicht mehr fortsetzen. Die letzte größere architektonische Vision im Jahre 1919, die von Bruno Taut entwickelte „Stadtkrone“, als Modell in der Ausstellung zu sehen, blieb eine Utopie.

Die Wahrnehmung und Deutung des Ersten Weltkriegs im Nachkriegsdeutschland waren sehr unterschiedlich. In der expressiven Holzschnittfolge „Weltkrieg und Revolution“ des Hagener Künstlers Hans Slavos spiegelt sich abschließend noch einmal das erlebte Grauen. Die Schützengräben des Ersten Weltkriegs hinterließen nicht nur politische und weltanschauliche Ideologien, sondern vor allem auch zahllose Menschen ohne Halt und Identität. Sie konnten sich nur schwer oder überhaupt nicht mehr in die nach 1919 durch Krisen und Konflikte geschüttelte Gesellschaft eingliedern. Besonders die im Raum Hagen bereits seit Anfang der 1920er Jahren aktiven Nationalsozialisten interpretierten den Ersten Weltkrieg und sein für Deutschland schmachvolles Ende über ihre eigene Vorstellungswelt.

Die Deutungshoheit der Nationalsozialisten ab 1933 manifestierte sich dann drei Jahre nach ihrer Machtübernahme im „Heldengedenkbuch“ der Stadt Hagen, das in der Ausstellung zu sehen ist. Sie gründete sich auf eine durch antisemitische Verschwörungstheorien erklärte „Dolchstoß-Legende“ sowie der Illusion eines „im Felde unbesiegten“ deutschen Heeres. Diese Vorstellungen pflegte auch die 1919 gegründete rechtsextreme Organisation „Der Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“, die in der Ausstellung durch eine Fahne der Ortsgruppe Hohenlimburg vertreten ist.

Architektur der Erinnerung
In der „Architektur der Erinnerung“ präsentiert die renommierte Künstlerin Sigrid Sigurdsson eine eigens für die Ausstellung angefertigte Installation. Auf der zugehörigen Galerie ist eine Reihe von Zeichnungen des Hagener Künstlers Carl Grimm aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zu sehen.

Junges Museum
Im Jungen Museum wird die pädagogisch konzipierte Ausstellung „In wessen Namen“ gezeigt. Sie verdeutlicht, dass auch im 21. Jahrhundert Kriege keineswegs der Vergangenheit angehören, und bildet so einen aktuellen Bezug.

Begleitprogramm
Ein umfassendes Begleitprogramm mit Führungen, Rundgängen und museumspädagogischen Angeboten für Schulen sowie eine Vortragsreihe, bei der am 12. Juni unter anderen auch Jörn Leonhard (Autor von „Die Büchse der Pandora“, eines der Standardwerke zum Ersten Weltkrieg) im Museum referieren wird, rundet die Ausstellung ab. Darüber hinaus finden Kooperationsveranstaltungen mit der VHS Hagen und dem Hagener Heimatbund statt.

Publikation
Zur Ausstellung erscheint im Klartext-Verlag Essen ein Begleitband, der auf rund 270 Seiten erstmalig für Hagen und die Region den Ersten Weltkrieg eingehender untersucht und darstellt. Ab Ausstellungsbeginn ist er für 22,95 Euro im Museumsshop und im Buchhandel zu erwerben.

Eröffnung
Die Ausstellung wird am Sonntag, 18. Mai um 15 Uhr eröffnet. Nach einer Begrüßung durch den Beigeordneten für Kultur der Stadt Hagen, Thomas Huyeng, und den Direktor des Osthaus Museums und Fachbereichsleiter für Kultur, Dr. Tayfun Belgin, referiert Prof. Dr. Gerd Krumeich von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zu verschiedenen Aspekten des Ersten Weltkriegs.

Abschlusskonzert und Finissage
Zum Ende der Ausstellung ist am 8. August um 18 Uhr eine Konzertaufführung des NRW KULTURsekretariats Wuppertal mit Igor Strawinskis bearbeiteter Geschichte vom Soldaten geplant.
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Zur Finissage am Samstag, 9. August, um 17 Uhr mit Prof. Dr. Gerd Krumeich und Prof. Dr. Jörn Leonhard lädt das Osthaus Museum Hagen Sie und Ihre Freunde herzlich ins Auditorium des Kunstquartiers ein.
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Sondereintritte:
Für die Dauer der Weltenbrand-Ausstellung beträgt der Eintritt an Freitagen 6 Euro (ermäßigt 2 Euro bzw. 4 Euro).

Am 1. August bleibt der Eintritt frei, es werden zwei Sonderführungen angeboten.