Ernst Ludwig Kirchner, Künstlergruppe, 1913, Osthaus Museum Hagen, Fotografie: Achim Kukulies, Düsseldorf


Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938)
Künstlergruppe (Unterhaltung der Künstler), 1913 (datiert »1912«)
Öl auf Leinwand


In kleiner Gesprächsrunde haben sich drei Personen in lockerer Atmosphäre in Ernst Ludwig Kirchners Wohnatelier in Berlin-Wilmersdorf zusammengefunden. Der Maler hielt die private Runde 1912 als Momentaufnahme fest. Im Oktober 1911 hatte er die Wohnung in der Durlacher Straße bezogen, nachdem er von Dresden in die Hauptstadt umgezogen war. Kirchners Mitbewohnerin war seine Lebensgefährtin Erna Schilling. 1911 hatte er die Tänzerinnen Erna und Gerda Schilling in einem Berliner Nachtlokal kennengelernt.

Erna Schilling und die befreundeten Künstler Hans Gewecke und Werner Gothein bilden die Figurengruppe, die uns farblich wie kompositorisch als Einheit vor Augen geführt wird. Im Vordergrund hat Hans Gewecke auf einem Sessel Platz genommen. Er ist als Ganzfigur in Seitenansicht und Denkerpose dargestellt. Erna Schilling (rechts) sowie Werner Gothein sind mit ernstem, konzentriertem Mienenspiel en face, mehr oder weniger stark von der zentralen Figur verdeckt, ins Bild gesetzt.

Den schmückenden Rahmen des Geschehens bilden die bemalten, blau grundierten Wandflächen. Fotografien zeigen das Wohnatelier des Künstlers als höhlenartigen Raum, den der Maler selbst im Detail mit Malereien ausgestaltet hatte. Archaisierende Figuren und exotische Ornamentik, inspiriert von afrikanischen und ozeanischen Skulpturen, welche Kirchner bei seinen Besuchen in den Völkerkundemuseen bewundert hatte, dekorierten bereits die Wände des Dresdner Ateliers. Kirchner gewährt uns im Hagener Bild einen Blick zurück nach Dresden und zugleich auf sein damals gegenwärtiges Leben in Berlin, das er unter schwierigen, existenzbedrohenden Bedingungen führte. Der erhoffte Erfolg, der ihm und seinen Künstlerfreunden bereits in Dresden in den Jahren 1905–11 versagt blieb, sollte sich auch in Berlin nicht einstellen. Der Überlebenskampf wurde angesichts der größeren Konkurrenz in der Berliner Künstlerszene noch schwieriger. Auch das von Kirchner und Max Pechstein gegründete MUIM-Institut (»Moderner Unterricht in Malerei«) hatte keinen Erfolg. Hans Gewecke und Werner Gothein waren die einzigen Schüler.

Die Auflösung der »Brücke« ein Jahr nachdem das Hagener Bild entstand, ist einerseits auf die schwierigen Bedingungen in Berlin zurückzuführen. Andererseits führte auch die von Kirchner in diesem Jahr verfasste Chronik der Brücke zum Bruch zwischen den Künstlern, hatte er doch in seiner Schrift die eigene Bedeutung für die Künstlervereinigung über Gebühr betont. Dieses selbstherrliche Verhalten führte schließlich zum Zerwürfnis unter den Mitgliedern der Gruppe. Kirchner zog sich gekränkt mit Erna Schilling und wenigen Freunden zurück. Am 27. Mai 1913 löste sich die »Brücke« auf.