Alexej von Jawlensky, Große Meditation (Kopf III), 1937, Osthaus Museum Hagen, Fotografie: Achim Kukulies, Düsseldorf Alexej von Jawlensky (1864–1941) Große Meditation (Kopf III), 1937 Öl auf Leinwand Im Mai 1921 siedelte Jawlensky von Ascona nach Wiesbaden über. Sein Sohn Andreas und seine Lebensgefährtin und spätere Frau Helene folgten ihm im Jahr darauf. Die Jahre in der Schweiz waren für ihn eine Zeit des Exils gewesen, da er zu Beginn des Ersten Weltkriegs als »feindlicher« russischer Staatsbürger aus Deutschland auswandern musste. Im Herbst 1914 begann Jawlensky mit der Arbeit an Serien – die farbkräftigen Einzelwerke der Vorkriegszeit verfolgte er nicht weiter. In den folgenden 23 Jahren entstand ein künstlerisches wie auch numerisch beachtliches Werk mit fünf Serien: den Variationen (1914–21), den Mystischen Köpfen (1917–22), den Heilandsgesichten (1917–22), den Abstrakten Köpfen (1918–34) sowie den Meditationen (1934–37), zu denen das Hagener Bild gehört. Im Jahr 1929 traten erste Lähmungserscheinungen der Hände und Kniegelenke bei Jawlensky auf. In der Folgezeit waren zahlreiche kostspielige Kuren im In- und Ausland notwendig, um die enormen Schmerzen zu lindern. Die letzten Jahre (1938–41) war der hochaktive Maler ans Bett gefesselt. So wurde die seit 1934 entstandene Serie der Meditationen, die sich schon Anfang der 1930er-Jahre künstlerisch ankündigte, zu einem Werk der Passion. Um diese Bilder trotz fortgeschrittener Krankheit zu schaffen, ließ Jawlensky leinenstrukturierte Malpapiere, maximal acht Blätter, auf einen festen Untergrund fixieren, um sie anschließend zu bemalen. Ohne Hilfe von außen konnte er jedoch den Pinsel nicht mehr selbstständig in der Hand halten. So war er gezwungen, sich den Pinsel an die steifen Hände binden zu lassen. Mit beiden aneinandergepressten Unterarmen schuf er die horizontalen und vertikalen Farbbahnen. Das menschliche Gesicht, an dem Jawlensky bis zuletzt festhielt, erhält in den Meditationen eine sehr besondere Darstellung, zugleich auch seinen äußersten Abstraktionsgrad. Jede Meditation ist zugleich Gesicht und Kreuz, so auch in der Großen Meditation (Kopf III) von 1937. Die horizontale und vertikale Bildstruktur verweist auf das orthodoxe Kreuz, sodass diese Werke, zusätzlich unterstrichen durch das kleine Format, in die Nähe von Ikonendarstellungen rücken. Die Farbgebung in dem Hagener Bild ist zurückgenommen. Violette und blaue Töne definieren das Gesicht, welches vor einem aktiven grau-weißen Hintergrund platziert zu sein scheint. Die Spiritualität dieser modernen Ikonen Jawlenskys überträgt sich bei intensiver Anschauung auch auf den Betrachter – das Andächtigsein selbst wird hier als Botschaft erfahren. Jawlensky äußerte sich in seinen Lebenserinnerungen so über sein Vermächtnis: »Da ich durch meine Steifheit in den Ellenbogen und Händen sehr behindert wurde, mußte ich mir eine neue Technik suchen. Meine letzte Periode meiner Arbeiten hat ganz kleine Formate, aber die Bilder sind noch tiefer und geistiger, nur mit der Farbe gesprochen. Da ich gefühlt habe, daß ich in Zukunft infolge meiner Krankheit nicht mehr werde arbeiten können, arbeitete ich wie ein Besessener diese meine kleinen ›Meditationen‹. Und jetzt lasse ich diese kleinen, für mich aber bedeutenden Werke für die Zukunft den Menschen, die Kunst lieben.« |