Alexej von Jawlensky, Stillleben en bleu, 1902, Osthaus Museum Hagen, Fotografie: Achim Kukulies, Düsseldorf Alexej von Jawlensky (1864–1941) Stillleben en bleu, 1902 Öl auf Leinwand 1896 siedelte Alexej von Jawlensky mit Marianne von Werefkin, deren Haushälterin Helene Nesnakomoff sowie den Malerfreunden Igor Grabar und Dimitrij Kardovsky nach München um. Nicht Paris oder Berlin, sondern die bayrische Metropole wurde bevorzugt, da das facettenreiche kulturelle Leben mit seinen vielen Theater- und Musikveranstaltungen sie anzog. Zudem konnte man als erfolgreicher Künstler in München ein Leben als Malerfürst leben. Franz von Lenbach und Franz von Stuck waren beredte Beispiele. Für Jawlensky und seine Malerfreunde war es wichtig, nach fünf Jahren klassischer Ausbildung an der Petersburger Akademie die Nähe zur zeitgenössischen Kunst zu suchen. Sie schrieben sich in die Malschule des weit über München hinaus bekannten slowenischen Malers Anton Ažbe ein. Dessen Credo war es, nicht mehr am Detail zu arbeiten, sondern das ganze Motiv malerisch freizügig zu gestalten. Jawlensky lernte die Kunst der Münchner Lenbach, Stuck und Wilhelm Leibl sowie des Schweden Anders Zorn ebenso kennen wie den Neoimpressionismus von Georges Seurat und Paul Signac, der in Deutschland in diesen Jahren Konjunktur hatte. Experimente in Maltechnik (Tempera oder Öl) waren für ihn und seine Freunde Tagesthema. In den Stillleben der Jahre 1902/03 – in diese Phase gehört auch das Stilleben En Bleu – wurden die akademischen Regeln schlicht außer Kraft gesetzt. Die Gegenstände, wie Vase, Topf, Teller oder Blumen, werden bis an die Grenze ihrer Auflösung abstrahiert. Die Farbe erringt eindrucksvoll und mit Gewalt die Herrschaft über das Motiv: das dominierende Orange des Blumentopfes, die orange-grün-braunen Lichtpunkte der Äpfel, die blaue Decke mit orangen Tupfen, die weiß-gelben Pinselsetzungen von Pflanze und Teller. Alles Vorherige schien nun vergessen zu sein, eine Annäherung an die französische neoimpressionistische Punktmalerei ist zu verzeichnen. Freilich war die gänzliche Auflösung des Bildmotivs in ein Punktraster nicht Jawlenskys vorrangiges Ziel. Man sieht in seinen Werken auch nicht so sehr die pure französische Technik; eher sind es vermischt aufgetragene Flecken und Farbstriche, die dort, wo sie einen gleichen Rhythmus aufweisen, zugleich einen Gegenstand, das Motiv, bezeichnen. Auf eine konkrete Bestimmung der Umgebung des Motivs wurde verzichtet. Der Bezug nach außen fehlt: kein Fenster, keine Inneneinrichtung, die Aufschluss über den konkreten Raum, in dem das Stillleben arrangiert wurde, zu geben vermag. So »schwebt« das Motiv mutmaßlich. Dieser Zoom-Effekt charakterisiert eine Dimension der Modernität von Jawlensky-Werken, die heute noch beeindruckend ist. |